Um die Erderhitzung global auf +1,5°C zu beschränken verbleibt der Weltgemeinschaft noch ein bestimmtes Treibhausgasbudget, das sie noch ausstoßen kann. Wird dieses Budget so verteilt, dass jede Person ab 2022 gleich viel wie jede andere Person auf der Welt ausstoßen darf, so stehen Österreich mit seinen 8,7 Millionen Einwohner*innen noch 280 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalente zur Verfügung, um seinen gerechten Beitrag zur +1,5°C-Grenze mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 66% einzuhalten.

Österreich stößt seit der Industralisierung im 19. Jahrhundert durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas vermehrt Treibhausgase aus. Das verbleibende Budget ist oberhalb im Diagramm im Verhältnis zu den historischen Emissionen seit 1750 dargestellt.

Das Einhalten des weltweiten Treibhausgasbudgets im Sinne des Pariser Klima Abkommens ist notwendig, da in der Klimaphysik die ausgestoßene Menge der Treibhausgase vorgibt um wie viel Grad die Temperatur ansteigen wird. Der bisherige Treibhausgasaustoß seit der Industralisierung im 19. Jahrhundert führte global zu einer Erhitzung von +1,1°C, während Österreich sich als Landmasse schon um +2°C Grad erhitzte.

Fragen und Antworten

Wie lässt sich das österreichische Treibhausgasbudget berechnen?

Grundlage des Treibhausgasbudgets
Anhand der bisher ausgestoßenen Treibhausgasmenge und dem daraus erfolgten Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur konnten Klimawissenschaftler*innen berechnen, um wie viel Grad sich die Erde zukünftig zusätzlich erhitzen wird, wenn eine bestimmte Menge Treibhausgase in die Atmosphäre gelangt.

Das IPCC hat 2018 im Sonderbericht zur 1.5°C-Temperaturerhöhung das verbleibende CO₂-Budget berechnet, mit dem die Erderhitzung auf den im Pariser Abkommen definierten Temperaturbereich beschränkt bleiben kann. Das CO₂ -Budget ist die Gesamtmenge an CO₂, die weltweit ab 2018 noch ausgestoßen werden darf, um das Pariser Klimaziel einzuhalten.

Um die globale Durchschnittstemperatur mit einer 66-prozentigen Eintrittswahrscheinlichkeit auf +1,5°C zu begrenzen, wird im Bericht ein Budget von 420 Milliarden Tonnen CO₂ angegeben. Die Budgets sind mit Eintrittswahrscheinlichkeiten versehen, da wie bei allen physikalischen Berechnungen die zugrundeliegenden Daten und Modelle Unsicherheiten beinhalten.

Vom CO₂- zum Treibhausgasbudget
CO₂ macht mit 70% einen Großteil der gesamten globalen Treibhausgasemissionen aus. Anhand dieses Emissionsanteils kann ein Treibhausgasbudget berechnet werden, welches neben CO₂ auch andere Treibhausgase wie z.B. Methan miteinschließt. Um +1,5°C mit einer 66%-Eintrittswahrscheinlichkeit zu erreichen, verblieben ab 2018 global 590 Milliarden Tonnen Treibhausgase. Diese werden als CO₂-Äquivalente angegeben.

Vom globalem Budget zum nationalen Budget
Diese Gesamtmenge wird nun nach dem 'per capita'-Ansatz aufgeteilt, das heißt, allen Menschen auf der Erde steht die gleiche Menge von diesem Treibhausgasbudget zu. Zusätzlich werden die in der Zwischenzeit emittierten Treibhausgase abgezogen. Für Österreich steht deshalb ab Jänner 2022 ein THG-Budget von 280 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten zur Verfügung, das nicht überschritten werden darf.

Wälder, Moore und Böden spielen eine Rolle
Bei diesen Berechnungen wird angenommen, dass die derzeit bestehenden Orte der natürlichen CO₂-Speicherung  (auch natürlichen Senken genannt wie bspw. Wälder & Boden) auf unverändertem Niveau (global und national) wirksam bleiben.

Was bedeuten die Eintrittswahrscheinlichkeiten 50% oder 66% ?

Da sowohl Daten als auch Modelle immer mit Unsicherheiten behaftet sind, werden Ergebnisse von Modellberechnungen immer mit Wahrscheinlichkeiten für ihr Eintreten angegeben.

- 66%-Eintrittswahrscheinlichkeit bedeutet, dass wir in 4 von 6 Fällen den angestrebten Wert treffen und ihn in 2 Fällen verfehlen.

- 50%-Eintrittswahrscheinlichkeit bedeutet, dass wir nur in 3 von 6 Fällen den angestrebten Wert treffen und ihn in 3 Fällen verfehlen.

Ein Treibhausgasbudget, das auf 50%-Wahrscheinlichkeit basiert, ist etwas größer als ein 66-prozentiges, da mehr Unsicherheiten in Kauf genommen werden und die Chance steigt, die +1,5°C-Grenze zu übersteigen.

Um die Folgen der menschengemachten Erderhitzung abzuschwächen, ist es jedoch wichtig, jedes zusätzliche Zehntel Grad zu vermeiden. Für manche Inselstaaten bedeutet ein weiteres Zehntel Grad zusätzlich zu den +1,5°C den Untergang, ebenso können mögliche Kippelemente wahrscheinlicher ihren Punkt der Unumkehrbarkeit erreichen. In Österreich würden beispielsweise Hitzewellen häufiger und lang anhaltender werden. Deshalb ist ein Treibhausgasbudget zu wählen, welches mit höherer Wahrscheinlichkeit gewährleistet, dass die +1,5°C-Grenze eingehalten wird.

Wie gerecht sind die Treibhausgasbudgets ?

Das verbleibende weltweite Treibhausgasbudget wurde anteilig nach der Landesbevölkerung aufgeteilt. Österreich besitzt grob ein Tausendstel der Weltbevölkerung und hat damit auch ein Tausendstel des Treibhausgasbudgets noch zur Verfügung. 

Weitere Gerechtigkeits-Aspekte wie historische Emissionen und konsumbasierte Emissionen werden in dieser Berechnung nicht berücksichtigt. Durch die wachsende Industrialisierung produzieren viele Länder, so auch Österreich seit dem 19 Jahrhundert zunehmend Treibhausgase. Andere Länder haben erst sehr viel später damit begonnen, weshalb Österreich durch seine frühen Emissionen eine historische Verantwortung zukommt. Ebenso kann man argumentieren, dass Österreichs Emissionen um ca. 40-60% höher wären, würde man für die Berechnungen die Emissionen, die in Österreich konsumiert, aber in einem anderen Land produziert werden, berücksichtigen.  

Damit weist der pro-Kopf Ansatz aktuell hoch emittierenden Industrieländern wie Österreich vergleichsweise größere Budgets zu, als dies aus verschiedenen Fairnessüberlegungen gerechtfertigt werden kann. 

Da es für manche Länder schwierig werden kann, die Emissionen so zu senken, dass das zustehende pro-Kopf-Emissionsbudget nicht überschritten wird, könnte ein Handel mit Budgetanteilen zwischen Ländern eine Möglichkeit sein. Länder mit drohenden Budgetüberschreitungen könnten so z. B. Erneuerbare Energien in anderen Ländern finanzieren, wobei diese im Gegenzug Budgetanteile bereitstellen, da sie ihre Budgetanteile nicht vollkommen aufbrauchen würden. Damit das nicht zu einem reinen Freikaufen der Industrienationen entartet, dürften die Emissionsrechte nur gegen die nachvollziehbare Umsetzung von entsprechenden Maßnahmen eingetauscht werden. Feststeht jedoch, dass Industrienationen viel zu spät angefangen haben, das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas einzustellen, denn sonst müsste nicht über so einen Mechanismus diskutiert werden.

Was ist der Unterschied zwischen dem '+1,5°C-Pfad' & dem '+1,5°C mit zwischenzeitlich +1.65°C-Pfad' ?

Im völkerrechtlich verbindlichen Pariser Abkommen wurde 2015 vereinbart, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf +1,5°C bis “deutlich unter +2°C” zu begrenzen. Für eine Begrenzung des Anstiegs auf “deutlich unter +2°C” wird der Pfad interpretiert, der im Jahr 2100 den Anstieg auf +1.5°C begrenzt und zwischenzeitlich geringfügig höher ist.

Mit jedem zusätzlichen Zehntel Grad besteht die Gefahr, dass Kipp-Punkte überschritten werden. Laut den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen (IPCC SR15 (2018) & IPCC AR6 (2022)) rücken diese Kipp-Punkte immer näher, weshalb der +1,5°C-Pfad ohne zwischenzeitliches Überschießen auf +1,65°C der wesentliche Pfad ist.

Der +1,5°C-Pfad mit Überschießen ist deutlich risikoreicher und gefährdet mehr Menschenleben.

Welche Bedeutungen hat das Treibhausgasbudget ?

Das Treibhausgasbudget ist eine messbare Menge, wodurch wir nachvollziehen können, ob die Weltgemeinschaft, aber auch Österreich, die Treibhausgas-Emissionen ausreichend reduziert. Es gibt Ländern und Sektoren (wie Verkehr, Energie, Industrie etc.) Planungssicherheit für ihre Klimaschutzmaßnahmen.

Ein weitere Rolle spielt das Budget vor Gericht, so hat das Deutsche Bundesverfassungsgericht 2021 in seinem Urteil zur Verfassungsbeschwerde gegen das deutsche Klimaschutzgesetz, sich auf das berechnete deutsche CO₂-Budget bezogen:

Zitat: "Ein umfangreicher Verbrauch des CO₂-Budgets schon bis 2030 verschärft jedoch das Risiko schwerwiegender Freiheitseinbußen, weil damit die Zeitspanne für technische und soziale Entwicklungen knapper wird, mit deren Hilfe die Umstellung von der heute noch umfassend mit CO2-Emissionen verbundenen Lebensweise auf klimaneutrale Verhaltensweisen freiheitsschonend vollzogen werden könnte."

Ist die Klimaneutralität 2040 vereinbar mit einem THG-Budget von 280 Mio t ?

Aus der Sicht der Reduktionspfade: Ja, wenn in Summe nicht mehr als das verfügbare Treibhausgasbudget verbraucht wird.

Man kann das Treibhausgasbudget von 280 Millionen Tonnen so strecken, dass es bis 2040 reicht. Für die Umsetzung sind allerdings massive Emissionsreduktionen ab dem Jahr 2022 notwendig. Welcher Reduktionspfad gewählt wird, ist eine politische Entscheidung. Um die Reduktionsziele zu erreichen, müssen viele Maßnahmen gleichzeitig umgesetzt werden. Beispielsweise müssen die erneuerbaren Energieträger rasant ausgebaut werden und massive Emissionseinsparungen im Verkehrssektor erfolgen.

Wichtig ist festzuhalten, dass das berechnete Treibhasugasbudget unterstellt, dass die Orte an denen CO₂ gespeichert wird (auch Netto-Senken genannt), wie in der der Landnutzung und Forstwirtschaft , unverändert auf aktuellem Niveau (2018-2019) erhalten bleiben. Es zeichnet sich jedoch ab, dass selbst der Erhalt dieser Funktion auf aktuellem Niveau einer zusätzlichen Anstrengung in Österreich bedarf angesichts der derzeitigen Bodenversiegelungsraten, landwirtschaftlichen Praktiken, Vernichtung von Wäldern durch Schädlinge (z. B. Borkenkäfer) und Extremereignisse (z. B. Waldbrände). Letzteres kann außerdem dazu führen, dass Wälder Kohlenstoff freisetzen anstatt ihn zu speichern, wie es im Amazonasgebiet bereits teilweise der Fall ist. Sie werden damit von CO₂-Senken zu CO₂-Quellen.

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